Kunst, Kultur & Tradition

ISBN: 978-3-7059-0228-2
21,5 x 28,5 cm, 72 Seiten, 31 Farbabb.

Klangbilder

Bildautorin: Prof. Edith Temmel
Textautoren: Prof. Mag. Dr. Harald Haslmayr, Graz und
Dr. Ingeborg Stein, Weimar

Zum Phänomen „Synästhesie – Farben hören“:
Dass Musik und Malerei in direktem Zusammenhang stehen, beweist zuerst die Physik. Als messbare und für jedermann nachvollziehbare Erscheinung wird der Klang auf der molekularen Ebene durch Schwingungen erzeugt und fortgesetzt. Schwingungen, welche als Klang für das menschliche Ohr hörbar sind, bewegen sich zwischen einer tiefen Frequenz von 16 Schwingungen bis zu einer hohen von etwa 25.000 Schallschwingungen pro Sekunde. Klangwellen werden durch das Medium Luft, Wasser oder feste Stoffe übertragen. Die Frequenz einer vollständigen Schwingung kann also gewaltige Unterschiede aufweisen. Die Bewegung der Moleküle ist unvergleichlich langsamer als die Bewegung der Atome und ihrer Teilchen: Die Schwingungen, welche auf unsere Augen reagieren und dann vom menschlichen Bewusstsein als oder Farbe identifiziert werden, sind bei weitem schneller als der Vorgang des Hörens über die Schallwellen.

Der Begriff der Tonmalerei ist sowohl in der Beschreibung von Musik als auch in der Bildenden Kunst gebräuchlich. Das menschliche Auge empfindet bei Betrachtung von Farben:

  1. eine rein physische Wirkung, der Schauende empfindet ein Gefühl von Befriedigung, Freude etc… „wie ein Gastronom, wenn er einen Leckerbissen im Munde hat“. (W. Kandinsky, „Über das Geistige in der Kunst“, p.63) Das Auge hält normalerweise die Betrachtung des selben Farbtons nicht lange aus, es weicht in ruhigere Bereiche oder andere Farbtöne aus. Es kann aber auch der Fall eintreten, dass durch die Betrachtung von Farben bei sensiblen Menschen, genauso wie bei anhören eines Musikstückes, eine Gemütsbewegung verursacht wird.
  2. In diesem Falle kommt die psychische Kraft der Farbe zur Wirkung, „welche eine seelische Vibration hervorruft. Und die erste, elementare physische Kraft wird nun zur Bahn, auf welcher die Farbe die Seele erreicht.“ (W. Kandinsky, „Über das Geistige in der Kunst“, p.65) Das Hören von Musik verursacht bei manchen Menschen so tiefe Gemütsbewegungen, dass sie auch die musikalischen Töne in Farben zu sehen imstande sind. Wassily Kandinsky ist das bekannteste Beispiel für dieses Phänomen, er beschreibt z. B. das grelle Zitronengelb wie den Ton einer hochklingenden Trompete.

Sämtliche Werke der Künstlerin werden im Buch von Prof. Mag. Dr. Harald Haslmayr kommentiert.

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Textbeispiel von Prof. Mag. Dr. Harald Haslmayr zum Bild Schostakowitsch – String Quartett Nr. 8:

Im August 1960 reiste Schostakowitsch nach Dresden, um dort die Musik zum Film „Fünf Tage – fünf Nächte“, einem Film über die Zerstörung Dresdens, zu schreiben. Die Wunden der Stadt Dresden machten einen derart intensiven Eindruck auf Schostakowitsch, dass er nach seiner Rückkehr nach Moskau innerhalb von nur drei (!) Tagen sein achtes Streichquartett in c-Moll zu Papier brachte und es „Dem Gedächtnis der Opfer des Faschismus und des Krieges“ widmete. Wie wenig Schostakowitsch bereit war, seine persönliche Geschichte von den allgemeinen geschichtlichen Ereignissen zu trennen, zeigt die Verwendung des musikalischen Anagramms ganz zu Beginn des Werkes: D – S (Es) – C – H, die Initialen seines Namens also eröffnen das Quartett, ein Verfahren, das der Komponist bereits in seiner zehnten Symphonie, der sogenannten „Weltfriedenssymphonie“ (1953) angewandt hatte. Das folgende „Largo“ zitiert Themen aus der ersten und fünften Symphonie, auf die brütende Verhangenheit des Beginns folgt völlig überraschend das „Allegro molto“, das nach aggressiv-aufpeitschenden Gesten das jüdische Thema aus dem Finale des zweiten Klaviertrios zitiert – neuerlich eine berührende musikalische Mahnung, der jüdischen Opfer des nationalsozialistischen Regimes nicht zu vergessen.
Der dritte Satz ist hauptsächlich ein Walzerrondo, entnommen dem Cellokonzert op. 107, mit stampfenden Trauermarschrhythmen fährt das „Largo“ dazwischen, es ist der Trauermarsch aus der Oper „Lady Macbeth von Mensk“: langsam beruhigt sich die Musik, nochmals erscheinen die Trauermarsch-Achtel.
Daraufhin scheint die Musik einzufrieren, ein regungsloses Klangfeld erweitert sich immer mehr – und plötzlich tritt das Violoncello in höchster Lage hervor, mit einer schlichten melodischen Wendung, deren berührende Innigkeit zu den ganz großen Momenten der Musik unseres Jahrhunderts gezählt werden muss. An dieser Stelle könnte wohl zu Recht die Rede sein vom eingelösten Glücksversprechen großer Musik.
Trotzdem hat sich der Marschrhythmus nicht beruhigt, er leitet störrisch über zum abschließenden“ Largo“, einer ausgedehnten modal-ostkirchlichen Kadenz über die Tonfolge D – S (Es) – C – H, die ein Werk beschließt, das, wie Schostakowitschs Kammermusik überhaupt, seine Wirkung erst heute zaghaft zu entfalten scheint.

Preis: € 28,00
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