Regionalia
Herausgeber
- Wolfgang Suppan
An der Wiege des Landes Steiermark
Die Chronik Pürgg-Trautenfels
Mit Beiträgen von Gottfried Allmer, Walter Brunner, Wilhelm Deuer, Josef Hasitschka, Ingo Mirsch, Hannes P. Naschenweng, Armin und Wolfgang Suppan.
Über das Buch:
Zwar werden die Ortschaften Pürgg und Neuhaus, seit 1968 zur Gemeinde Pürgg-Trautenfels vereint, in der Geschichte der Steiermark seit dem hohen Mittelalter immer wieder genannt. Vor- und frühgeschichtliche, keltische und römische Funde bezeugen die ältere Besiedlung der Region. Seit der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts haben alpenslawische und bajuwarische Einwanderer Flurnamen hinterlassen.
Der um das Jahr 1000 in einer klimatisch bevorzugten Lage erbaute und nach allen Richtungen hin entweder durch die steilen Mauern des Burgstalls oder durch eine Folge von Wällen gesicherte markgräfliche Hof
Gr(a)uscharn wurde nach 1192 zu einem Zentrum kirchlicher Macht umgestaltet, in dem Pfarrer im Range von Archidiakonen oder Erzpriestern residierten.
Neben dem markgräflichen Hof Gr(a)uscharn und mit diesem durch einen Gang verbunden, entstand die St. Georgskirche, angeblich am Alexiustag des Jahres 1130 geweiht, um 1300 im Stile der Gotik erweitert, im 18. Jahrhundert dann in ihrem Inneren barockisiert. Auf dem „Kalvarienberg" gegenüber der heutigen Pfarrkirche schaut die Johanneskapelle ins Tal, in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts mit Fresken versehen, die zu den berühmtesten romanischen Kunstwerken Mitteleuropas gezählt werden.
Im Tal entstand das „Neue Haus" (Schloss Neuhaus, später Trautenfels), aus militärisch-strategischen Gründen an der Kreuzung der Nord-Süd-Salzstraße, vom Salzkammergut über das Glattjoch nach Oberwölz und weiter nach Kärnten und Italien, und der durch die Enns ausgeprägte Ost-West-Furche quer durch die Alpen erbaut.
Seit dem Beginn des 14. Jahrhunderts treffen wir auf den Namen Burg > Bürg > Pürg > Pürgg, dessen Bewohner in den folgenden Jahrhunderten vor allem durch ihren Gewerbefleiß auffielen. Hier hatten u. a. die Bruderschaften der Schuster, Leinenweber, Schneider und Fleischer ihren Sitz. Die Eröffnung der Eisenbahn durch das Ennstal und des Anschlusses von Stainach in das Salzkammergut im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts verlagerte die Aktivitäten schließlich in das Tal, sodass der gewerblichen eine bäuerliche Struktur folgte. Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, mit der Entdeckung der Fresken in der Johanneskapelle, setzte der Tourismus ein. Der Bau des Alpenhotels Adam zog bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts bedeutende Adelige und Künstler in den Ort. „Pürgger Dichterwochen", 1953 bis 1955, schließlich der „Pürgger Advent", seit 2003, sind Höhepunkte der allerjüngsten Entwicklung. Ein zweites touristisch-kulturelles Zentrum stellte sich mit dem prächtig ausgestalteten Schloss Trautenfels ein, das heute ein beachtenswertes volkskundliches Museum beherbergt.
„Von Grauscharn nach Graz":
So betitelt Dr. Karl Spreitzhofer, Oberarchivrat am Steiermärkischen Landesarchiv in Graz und Mitglied der Historischen Landeskommission für Steiermark, einen Aufsatz, in dem er die „Wege zur steirischen Landeshauptstadt" beschreibt: War Grauscharn/Pürgg, „der wahrscheinlich älteste Eigenbesitz der Otakare außerhalb des Traungaues", demnach die erste Hauptstadt der Steiermark?
Doch so dürfte man Spreitzhofer nicht interpretieren. Die ersten Markgrafen des Landes kannten keine Hauptstadt, sondern sie richteten Pfalzen ein, von denen aus sie nach und nach regionale Besitzungen und Grafschaften zu einem Land vereinten.
Seit der Zeit der Eppensteiner Markgrafen, um die Jahrtausendwende, bildete die Burg zu Grauscharn/Pürgg den Mittelpunkt der Grafschaft im Ennstal. Die Traungauer Markgrafen, beginnend mit Otakar I., bauten ihre Macht von hier aus weiter aus. „Die Urkunden ab 1160 lassen jedenfalls eine markgräfliche, dann herzogliche Pfalz mit organisierter Hofhaltung erkennen" (Spreitzhofer). Markgraf Otakar II. (1082-1122) hat, vertrauen wir dem steirischen Reimchronisten, seinen Lebensabend auf der Pürgg verbracht.
Doch neben und nach Grauscharn/Pürgg entstanden weitere wichtige Orte. Otakar III. (1129-1164) vermochte der Landesherrschaft zum endgültigen Durchbruch zu verhelfen und damit das Land Steiermark zu schaffen. Er hat im Verlauf seiner Regentschaft Graz ausgebaut und schließlich als Landeshauptstadt gefestigt. Die oberösterreichische Stadt Steyr mit der Styraburg hat zwar dem Land den Namen gegeben, jedoch selbst nie eine zentrale Rolle in diesem Land gespielt.
Daraus ergibt sich die Berechtigung, dieser „Chronik Pürgg-Trautenfels" den Titel „An der Wiege des Landes Steiermark" zu verleihen.
Schon 1192 trat die Georgenberger Handfeste in Kraft, die Herzogtümer Österreich und Steiermark wurden vereint. Die neuen Herren, die in Wien residierenden Babenberger, hatten kein strategisches oder persönliches Interesse mehr an Grauscharn/Pürgg. So kam es zum Ausbau der Pürgg zu einem geistlichen Zentrum. Erst in allerneuester Zeit verlor sich auch diese Bedeutung, und die Pürgg (gemeindlich seit 1968 mit Neuhaus/Trautenfels vereint) gilt seither im politischen und wirtschaftlichen Geschehen des Landes Steiermark nur noch als Randerscheinung.
Bedeutende Vertreter einer steirisch-landeskundlichen Wissenschaft haben in diesem Buch das bisherige Wissen um die Pürgg zusammengefasst und zudem manche neuen Details erarbeitet.
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Rezension:
Das Titelbild einer außergewöhnlichen Ortschronik zeigt eines der schönsten österreichischen Motive und eignet sich bestens als Ikone für eine Verbindung, die Österreich immer wieder auszeichnet: Der idyllisch gelegene Ort Pürgg in der Steiermark vor dem hoch und mächtig aufragenden Grimming, dem größten frei und allein stehenden Berg der Alpen, ist geradezu Symbol für die Verbindung von prachtvoller Bergnatur mit einer langen Kulturgeschichte und der Präsenz des Menschen in diesem Teil der Alpen. Die ehemalige Gemeinde Pürgg-Trautenfels im steiermärkischen Bezirk Liezen, seit Anfang 2015 mit der ehemaligen Nachbargemeinde zur Gemeinde Pürgg-Stainach zusammengeschlossen, erstreckt sich im mittleren Ennstal an der Hauptverbindungsroute Salzburg - Graz, wo sie mit der Salzkammergutstraße zusammentrifft. Pürgg mit einer Haltestelle der Salzkammergutbahn liegt an der Ostseite des Grimmings auf einem kleinen Plateau an den Südabstürzen des Rantensteins rund 150 Meter über dem Talgrund des Grimmingbachs. Die Häuser des malerischen Ortes drängen sich in wenigen Straßen um zwei Kirchen, die beide um ca. 1200 erbaut wurden und damit zu den ältesten der Steiermark zählen. Auf dem felsigen Rücken der Purgstallhöhe stand bereits im Mittelalter eine wehrhafte Anlage. Auf seiner Pfalzburg, der Burg Grauscharn, Herrschaftsmittelpunkt für die Grafschaft Ennstal, hatte bereits 1160 Markgraf Ottokar III. eine Urkunde ausgestellt.
Die kleine Ortschaft Trautenfels erstreckt sich rund um das Schloss Trautenfels direkt an der Enns. Das bedeutende Schloss befindet sich rund 30 Meter über dem Talboden auf einer kleinen Anhöhe und wurde erstmals 1261 als Burg erwähnt. Im Barock erhielt es unter Friedrich von Trautmannsdorf sein heutiges Aussehen und beherbergt als Teil des Landesmuseums Joanneum nicht nur ein Museum und Ausstellungszentrum, sondern auch ein Landschafts- und Volkskundemuseum. Wenig westlich auf demselben Bergrücken liegt die Ruine der evangelischen Kirche Neuhaus, des zur Zeit der Reformation bedeutendsten religiösen Zentrums im oberen Ennstal und heute eine Gedenkstätte.
In einem äußerst umfangreichen und großformatigen Band aus dem steirischen „Weishaupt Verlag" wird die Geschichte der Orte Pürgg und Trautenfels in mehreren Beiträgen namhafter steirischer Autoren umfassend und ausführlich dargestellt. Dabei wird auch die Geschichte und Entwicklung der gesamten Region mit einbezogen, so dass sich dem Leser ein eindrucksvolles Bild der Bedeutung der genannten Orte im Zusammenhang mit der steirischen Geschichte und der Entwicklung und dem Aufstieg des Landes zum heutigen Bundesland Steiermark erschließt. Die Autoren weiten den Blick vom historischen Rückblick über landschaftliche, naturkundliche und kulturgeschichtliche Anmerkungen in ihren Darstellungen auch auf die wirtschaftliche Entwicklung der Orte, die Anfänge des Tourismus, die gesellschaftlich-sozialen Netzwerke, wie das Vereinswesen und das Gemeinde- und pfarrliche Leben sowie kulturelle und künstlerische Ausdrucksformen in beiden Orten.
In dem aufwändig gestalteten und reich illustrierten Band haben bedeutende Vertreter der steirisch-landeskundlichen Wissenschaft das bisherige Wissen um die Pürgg zusammengefasst und zudem manche neuen Details erarbeitet. Das hochwertig aufgemachte Buch ist ein wichtiger landeskundlicher Beitrag zum Verständnis steirischer Geschichte und ein überaus wertvolles wie unverzichtbares Dokument für die Orte Pürgg-Trautenfels! (Herbert Pardatscher-Bestle, „Sommer-Bücherrundschau" 2015)