Hintergebirge

Rezension:

Das Hintergebirge ist eine jener ostalpinen Bergregionen, die keine spektakulären alpinen Höhepunkte aufweisen und daher sehr oft im Schatten berühmter und klingender Namen anderer Berggruppen stehen. Was jedoch, wie im Falle des Hintergebirges, kein Nachteil sein muss, denn die große, bis zu den Gipfelzonen bewaldete Bergregion zwischen Oberösterreich und der Steiermark weist ganz andere Qualitäten auf, als manche durch hohe und markante Gipfel geprägte Berggruppen. Im Hintergebirge ist es eine weitgehend unberührte Natur und die ineinander verwobene Geschichte einer außergewöhnlichen Landschaft, vielseitigen Natur und einer langen und intensiven Waldnutzung durch den Menschen. Das Hintergebirge ist in seiner faszinierenden Vielfalt nur über das Wissen um seine weit zurückreichende Kulturgeschichte zu verstehen, deren Höhepunkte aber bereits bis zu einhundert Jahren zurückliegen. Ein großformatiger und mit zahlreichen prachtvollen aktuellen und historischen Fotos ausgestatteter Band aus dem Weishaupt Verlag führt den Interessierten und Leser in die stille und geheimnisvolle Welt des Hintergebirges ein. Dass eine Landschaft, die nicht wegen ihrer Bedeutung für den Tourismus vor Erschließung geschützt ist, vielfältig bedroht sein kann, erfährt der Leser in diesem Band immer wieder. Nur der harte und zähe Widerstand von Naturschützern und eines großen Teils der ansässigen Bevölkerung gegen Kraftwerkspläne und andere harte Nutzungsformen bewahrten das Hintergebirge vor dem Verlust seines wertvollsten Schatzes, seiner einzigartigen, ursprünglichen und unberührten Natur. Bereits auf den ersten Seiten des Buches machen die Autoren engagiert deutlich, dass dieser Band auch eine unmissverständliche Botschaft transportiert. Er ist mit seinen Geschichten, Bildern und Portraits ein leidenschaftliches Plädoyer für ein naturschonendes Verhalten des Menschen und fordert den Schutz der bedrohten Landschaft und Natur als wertvollstes Kapital für die Zukunft nachkommender Generationen. Mit prachtvollen Bildern am Buchbeginn legen die Autoren die Messlatte für die kommenden Kapitel bereits sehr hoch: Von Reichraming geht der Blick zur Großen Schlucht und über farbige Wälder zum höchsten Gipfel des Hintergebirges, dem Größtenberg. Kühle Schluchten, Wasserfälle, Bäche und Flussläufe, Almen und Berge und immer wieder Wald – die Autoren beschreiben das Hintergebirge als eine wertvolle Naturoase, in der außergewöhnliche Menschen leben und arbeiten. Von den Autoren portraitiert im einfühlsamen Kapitel „Menschenbilder“. Mit der Schilderung eines entbehrungsreichen Almlebens, den Geschichten von Sennerinnen, Jägern, Wilderern, vom Bauernstand und vom Holzknechtleben. Mit vielen historischen Bildern, die keine Romantik zeigen, aber ein Leben im Einklang mit Landschaft und Natur. Wald und Holz, im Hintergebirge sind sie der größte wirtschaftliche Schatz. Und zeitweise ausgebeutet bis zum Kahlschlag. Die waldreichen Gebiete zwischen Oberösterreich und der Steiermark rückten im 19. und 20. Jahrhunderts zu bedeutenden Holzlieferanten der aufstrebenden Industrie auf. Die gefällten Bäume fanden auf abenteuerliche Weise über die Bäche und Flüsse den Weg aus dem Berginneren ins flache Voralpenland. Teils heute noch erhaltene Klausenanlagen zeugen von der Trift, die im Hintergebirge für die Alpen vergleichsweise riesige Ausmasse hatte. Holzfäller, Flösser und Arbeiter beim Bau der Waldbahn waren lange Zeit gefragte Arbeitskräfte in großer Zahl. Die Autoren lassen mit spannenden Schilderungen sowie mit zahlreichen historischen Bildern den Leser Anteil nehmen an der spektakulären, aber gefährlichen Holzbringung im Hintergebirge und an der Tatsache, wie sehr das Hintergebirge von dieser Waldnutzung geprägt wurde. Heute ist jedoch wieder viel Ruhe eingekehrt ins Hintergebirge und ein bedeutender Teil davon wurde auf Drängen weitblickender Natur- und Heimatschützer in den „Nationalpark Nördliche Kalkalpen“ aufgenommen und erfreut sich damit einem besseren Schutz für die Zukunft. Es ist die Vielfalt von Pflanzenarten, von Blumen über niedere Sträucher bis zu den großen und markanten Baumgestalten, die das Hintergebirge prägen und mit den vielen natürlichen Wasserläufen, Tälern und Schluchten auf weite Strecken diesem ein beinahe urwaldähnliches Aussehen verleihen. Zahlreiche seltene und bedrohte Tierarten finden hier naturnahe und ursprüngliche Rückzugsräume. Die zahlreichen prachtvollen Natur-Bilder ergänzen auf eindrucksvolle Weise die Beschreibungen der Autoren, so dass der Leser mit eintauchen kann in die stille, geheimnisvolle Welt dieses großen, faszinierenden Berglandes. Hier sind es viele tausende kleine Naturwunder, die es zu entdecken gilt und die Geschichte all jener, die mit dem Wald und vom Wald lebten. Der Besuch des Hintergebirges wird mit den Empfehlungen der Autoren nicht nur zu einem beglückenden Erlebnis einer besonderen Landschaft und Natur, es wird der Besuch auch eine Auseinandersetzung mit einer reichen und wechselvollen Kulturgeschichte, deren Spuren vielerorts noch deutlich zu sehen und zu erleben sind. Das großzügig ausgestattete Buch aus dem Weishaupt Verlag ist nicht nur eine äußerst gelungene Darstellung des Hintergebirges, mit sehr viel Aufmerksamkeit, Engagement und Liebe zum Detail verfasst, es ist auch ein überaus bemerkenswerter landeskundlicher Beitrag zu dieser Bergregion. Die Autoren machen mit ihrer einzigartigen Hommage an das Hintergebirge überaus neugierig und begeistern mit ihrer einfühlsamen Darstellung letztlich für ein Gebirge, das mehr als einen Besuch verdient!
(„Bücherrundschau“, Buchneuheiten 2-2011, Herbert Pardatscher-Bestle)